Der Studie „Emerging Trends in Real Estate“ von PwC ist zu entnehmen, dass die Inflation als die größte Herausforderung des Immobiliensektors im Jahr 2023 betrachtet wird. 91 Prozent der Befragten bezeichneten die Geldentwertung als ihre größte Sorge, dicht gefolgt von den Zinsbewegungen mit 89 Prozent und dem schwachen Wirtschaftswachstum in Europa mit 88 Prozent. Bei den Faktoren, die konkret die Immobilienwirtschaft betreffen, stehen die stark gestiegenen Baukosten sowie die Verfügbarkeit von Ressourcen ganz oben auf der Liste. Die politische Unsicherheit auf globaler und regionaler Ebene bereitet ebenfalls Kopfzerbrechen.
Die Branche rückt enger zusammen
In diesem Umfeld bemerkt Thomas Rohr, Geschäftsführer von IMMOROHR Immobilien, eine interessante Entwicklung: „Was mir in den letzten Wochen aufgefallen ist: Die Branche rückt zusammen. Wie es sich gehört, wenn es draußen wörtlich wie bildlich gesprochen kalt wird. Ich denke, dass eine enge Zusammenarbeit für das Jahr 2023 prägend sein wird.“ Rohr, seit 40 Jahren in der Immobilienwirtschaft tätig, sieht auch noch weitere Umbrüche „auf uns zukommen“. Er meint damit die verschobene, aber nicht aufgehobene Einführung des Bestellerprinzips, aber auch, „viel wichtiger, den Paradigmenwechsel von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt“. Der ist nämlich in vollem Gange.
Auswirkungen der Kreditvergaberichtlinien
Die geänderten Kreditvergaberichtlinien haben zu einem merklichen Nachlassen der Nachfrage nach Wohnimmobilien im Eigentum geführt. „Viele Menschen, die sich aufgrund dieser Änderung keine Wohnung mehr im Eigentum leisten konnten, sind in den Mietsektor abgewandert“, erklärt der Geschäftsführer von s REAL, Michael Molnar: „Jetzt haben wir eine spiegelverkehrte Nachfrage.“ Nur wenige Länder haben so restriktive Finanzierungsrichtlinien wie Österreich, und Michael Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter von 3SI, meint, „dass die FMA etwas unternehmen muss, damit sich die Menschen wieder Eigentum leisten können“. Die Rahmenbedingungen beim Kauf seien zu hart, was aber damit zu tun hat, dass „die Welt noch ganz anders aussah, als das Gesetz angedacht wurde“. Seiner Meinung nach wäre es wichtig, die seit Sommer geltenden Kreditvergaberichtlinien an die wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, den Menschen zu helfen. „Es geht nicht um die Höhe der Zinsen, sondern um die monatliche Belastung“, erklärt Maximilian Kneussl, CEO von Crownd Estates. Sein Vorschlag: „Man muss die Finanzierungslaufzeit strecken. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.“ Auch ein Generationenkredit könnte eine sinnvolle Alternative sein.
Steigende Zinsen
Die steigenden Zinsen machen aber nicht nur den Privatpersonen, sondern auch den Unternehmen zu schaffen. Marius Richter, Partner und Real Estate Leader bei PwC Österreich: „Der Zinsanstieg wird gravierende Auswirkungen am Markt haben.“ Weitblickende Unternehmer haben ihre Firmen bereits rechtzeitig auf die kommende Zeit vorbereitet. Michael Schmidt: „Für mich war klar, dass die Zinsen steigen werden, und wir haben frühzeitig angefangen, die Zinsen abzusichern. Das haben wir in größerem Stil gemacht.“
Die bereits prognostizierten weiteren Zinsanstiege sowie die derzeit etwas abwartende Haltung der institutionellen Investoren lassen zumindest für die kommenden beiden Quartale weitere Renditeanstiege in allen Assetklassen erwarten. Derzeit sind aber die Transaktionen noch stockend oder werden abgesagt, „da die Preisvorstellungen potenzieller Käufer und Verkäufer zu weit auseinander liegen“, sagt Astrid Grantner-Fuchs, Geschäftsführerin von EHL Immobilien Bewertung: „Wir gehen davon aus, dass es 2023 wieder zu mehr Klarheit kommt.“
Käufer und Verkäufer müssen erst zusammenfinden
„Die festgestellten Werte sind in derartigen Umbruchsphasen generell mit einer höheren Bandbreite zu sehen, abhängig davon, in welche Richtung das Wertependel gerade ausschlägt“, sieht auch Wolfgang M. Fessl, geschäftsführender Gesellschafter von Reinberg & Partner, die aktuelle Pattstellung als vorübergehend an: „In einer solchen Phase befinden wir uns derzeit, und die Marktverhältnisse sind grundsätzlich in Ordnung.“ Daher wird versucht, einen Wert zu ermitteln, der in dem sich verändernden Marktgeschehen konsensfähig ist: „Vorschneller Abwertungen bedarf es also nicht.“ Bezüglich der Preise geht Maximilian Kneussl bei Privatimmobilien davon aus, dass nach einer Anpassung der Finanzierungsregulatorien die Preise noch einmal steigen werden: „Viele warten zu, da sie annehmen, dass es günstiger wird. Ich glaube nicht. Ich vermute eher, dass es teurer wird.“
Ressourcenprobleme könnten länger dauern
Die Kosten- bzw. Ressourcenprobleme werden sich noch über das Jahr 2023 hinausziehen, erwarten die Marktteilnehmer. Rund drei Viertel der von PwC Befragten stellen sich auf entsprechende Engpässe in den nächsten drei bis fünf Jahren ein. Die dadurch sinkende Neubauleistung wird jedoch von einigen Branchenexperten als positiv für Bestandsobjekte und deren Bestandshalter gewertet.
Trotz aller Schwierigkeiten geht Michael Schmidt davon aus, dass ab Frühjahr oder Sommer 2023 schon wieder eine Aufbruchsstimmung herrschen wird: „Es wird zwar viel von einer Krise gesprochen, aber ich denke, im Dezember 2023 werden wir sagen: So schlecht war das Jahr auch nicht.“