Der Zug geht eindeutig in Richtung Immobilien, und was für die institutionellen Investoren gilt, das gilt auch für die Kleinanleger. Crowdfunding ist da keine Ausnahme. Es gab nur eine kurze Delle, wie Tobias Leodolter, CIO von Rendity, bestätigt: „Der Krieg in der Ukraine hat in den ersten zwei Wochen dazu geführt, dass weniger und kleinere Investments getätigt wurden, mittlerweile hat sich das Verhalten wieder normalisiert.“ Generell ist aber ein erhöhtes Interesse an sichereren Projekten wie Bestandsimmobilien zu bemerken.
Die Nachfrage vonseiten der Anleger ist ungebrochen hoch, sagt Andreas Zederbauer, Vorstand dagobertinvest AG: „Das derzeitige Investorenverhalten bestätigt zudem eine alte Weisheit: In Krisenzeiten wird besonders gerne in Sachwerte wie Gold und Immobilien investiert.“ 2021 legte der Markt im Vergleich zu 2020 wieder sehr kräftig, nämlich um rund 50 Prozent zu. Laut Zahlen des unabhängigen Branchenportals CrowdCircus belief sich das Volumen des Immobilien-Crowdinvestings über österreichische Plattformen im Jahr 2021 auf 102,9 Millionen Euro. Der Gesamtmarkt für Crowdinvesting machte 111,6 Millionen Euro aus, womit Immobilien absolut marktdominierend waren.
Mehr Investitionsmöglichkeiten mit einem höheren Volumen
Laut Aufzeichnungen von Rendity investierten rund 27.000 Anleger im Durchschnitt 2.000 Euro pro Projekt auf ihrer Plattform und streuten ihr Kapital auf sechs unterschiedliche Projekte. Aus dem Anlageverhalten ergibt sich aber eine eindeutige Präferenz, wie Tobias Leodolter erklärt: „Da wir auf unserer Plattform im Vergleich zu den Vorjahren mehr Investitionsmöglichkeiten mit einem höheren Volumen anbieten, bemerken wir mehr Investments pro InvestorIn bei gleichbleibender Höhe pro Investment.“
Aufgrund der hohen Nachfrage nach dieser Möglichkeit, sich sein eigenes Portfolio zusammenzustellen, setzen die Anbieter vermehrt auf Partnerunternehmen, mit denen in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet wurde. Dies geht Hand in Hand mit den immer höher dotierten Kampagnen von bis zu zwei Millionen Euro. „Hier wird ein zusätzlicher Vertrauensvorschuss vorausgesetzt, wodurch wir vermehrt auf etablierte Firmen setzen wollen“, so der CIO von Rendity.
Weitreichende Veränderungen
Der österreichischen Crowdinvesting-Branche – und damit auch den Investoren – stehen allerdings weitreichende Veränderungen bevor. Denn während Crowdinvesting bisher ausschließlich über das Alternativfinanzierungsgesetz lief, können Plattformen künftig, sofern sie die strengen Voraussetzungen dafür erfüllen, ihre Dienstleistungen im Rahmen der neuen EU-Verordnung ECSP erbringen. Aus unternehmerischer Sicht ist für Andreas Zederbauer der größte Vorteil der EU-Lizenz, dass Crowdinvesting-Kampagnen künftig viel einfacher in mehreren Ländern gestartet werden können, weil Plattformen nicht mehr von der Genehmigung in jedem einzelnen Land abhängig sind.
Vor diesem Hintergrund strebt die dagobertinvest AG auch die Expansion nach Osteuropa an. Sobald das Unternehmen die dafür notwendige EU-Lizenz, also die Konzession von der FMA erhalten hat, soll es in einem ersten Schritt Anlegern aus Tschechien ermöglicht werden, in sorgfältig ausgewählte Immobilienprojekte aus dem DACH-Raum zu investieren. Der Vorstand der dagobertinvest AG ist zuversichtlich: „Wir denken, dass dies für tschechische Investoren sehr reizvoll ist.“ In einem weiteren Schritt sollen auch Projektentwickler angesprochen werden, die in Tschechien Projekte realisieren. Damit soll es mittelfristig Investmentchancen für Anleger aus dem DACH-Raum geben, da das Zinsniveau in Osteuropa höher ist. Für die Kunden wird das Investieren genauso einfach wie bei Projekten aus Österreich oder Deutschland, „weil das über unsere Plattform und immer in Euro abgewickelt wird“.
Projekte von Rendity
So groß die Nachfrage, so reichhaltig ist das Angebot: Mit der Stumpergasse 7 im sechsten Wiener Gemeindebezirk hat Rendity derzeit die größte Kampagne mit zwei Millionen Euro laufen. „Unser nächstes Großprojekt wird unsere erste Anleihe sein“, so Tobias Leodolter: „Hier ist vorerst ein Volumen von zehn Millionen Euro für ein renommiertes Immobilienunternehmen aus Österreich vorgesehen.“ Diese Anleihe wird über einen vollwertigen Kapitalmarktprospekt in Österreich und Deutschland vertrieben.
Projekte von dagobertinvest
dagobertinvest bietet unter anderem die Möglichkeit, in ein Wohnbauprojekt in Tirol – in Fulpmes nahe Innsbruck – zu investieren. Im Sinne der Nachhaltigkeit wird hier Revitalisierungsprojekten der Vorzug gegeben. Andreas Zederbauer: „Statt ein neues Hotel zu bauen und die Alpen immer weiter zuzubetonieren, wird das bestehende Hotel Königsblick revitalisiert und zu einem Apartmentgebäude mit Ferienwohnungen weiterentwickelt.“ Außerdem gibt es noch ein außergewöhnliches Projekt in München-Trudering: Ein aus den 1960er-Jahren stammendes Einfamilienhaus wird kernsaniert und als exquisite Stadtvilla im Münchner Osten am Markt platziert.