Wie sehen Sie aktuell den Konzentrationsprozess der Immobilienunternehmen in Österreich?
Im Interview Bruno Ettenauer wurde mit Wirkung zum 15.03.2021 für die Dauer von drei Jahren zum Vorstandsvorsitzenden (CEO) der S IMMO AG bestellt. Er war ab 2006 Vorstandsvorsitzender der CA Immo AG. Er legte per Jahresende 2015 vorzeitig sein Mandat nieder. Im September 2016 wechselte er zur Tiroler Pema-Gruppe als Senior Consultant. Zur Erinnerung: Bruno Ettenauer legte […] Im Interview Als Vorstandsvorsitzender der CA Immo AG ist er für ein Portfolio im Wert von 5,2 Milliarden Euro verantwortlich, das sich über Österreich, Deutschland und die CEE/SEE-Staaten erstreckt. Eine Lieblingsimmobilie hat Ettenauer nicht– und das hat auch seinen Grund.
Um die Situation zu verstehen, muss ich etwas weiter ausholen: Innerhalb des deutschen Zyklus – das ist meine These – hat man als österreichisches Institut nur in einer Tiefphase eine Chance. Die Zyklen kommen jedoch immer wieder. Daher muss man sich als österreichisches Institut am deutschen Immobilienmarkt antizyklisch aufstellen. Es ist eine Frage des richtigen Timings.
2007 und 2008 hatte man als Österreicher gute Chancen. Jetzt sind deutsche Immobilien im Fokus aller Investoren, und dem kostengünstigen internationalen Kapital ist man hier direkter ausgesetzt. Die Chancen als Österreicher sind daher geringer, und als Newcomer jetzt nach Deutschland zu gehen, halte ich für verwegen.
Anders ist die Thematik in CEE. Hier gab es nach der Öffnung eine historisch einmalige Chance, die meines Erachtens in dieser Form in den nächsten 50 Jahren nicht wiederkommen wird. Es braucht niemand mehr ein österreichisches Immobilienunternehmen mit Sitz in Wien, um Geschäfte in Budapest, Prag oder Warschau zu machen. Wenn dieses gebündelte Know-how aus Österreich verloren geht, weil die Unternehmen übernommen oder zerschlagen werden, dann ist es für die nächsten Jahrzehnte unwiederbringlich weg.
Es kommt zu einer langfristigen Verschiebung weg von Wien.
Ettenauer: Für einen internationalen Investor, der kein besonderes strategisches Interesse an Wien hat, macht das durchaus Sinn. Dessen Ratio ist: Ich gehe in einen liquiden Markt, und Wien wird für viele – verstehen Sie mich nicht falsch – als Second-tier-Stadt in Deutschland gesehen. Den Investor interessiert daher nicht das österreichische Unternehmen, sondern die Assets, die das Unternehmen am deutschen Markt hat. Wie bei der BUWOG oder auch davor bei der Conwert ist es dann nur konsequent, dass ein internationaler Investor kauft und das Headquarter und damit auch die Entscheidungen ins Ausland verlagert.
Bei den heimischen Immobilien-AGs passiert das ja gerade.
Ettenauer: Es gibt zumindest Bestrebungen in diese Richtung. Der Super-GAU wäre, wenn es zu einer Situation käme, in der ein großer internationaler Player alle drei börsennotierten Immobilien-AGs übernehmen würde. Aus einem einfachen Grund: International liebt man „Pure Play“. Das heißt, Sie haben einen regionalen Fokus oder sind auf ein bestimmtes Asset fokussiert. Mit der BUWOG hat man eine Gesellschaft geschaffen, die einen klaren Fokus auf Wohnen hat. Ein Klassiker.
Bei den AGs wie CA Immo AG, Immofinanz oder S IMMO AG heißt das, ich übernehme die Mehrheit der Aktiengesellschaften, habe damit ein Entscheidungsrecht und teile sie in zwei Entities (Anm. der Red.: Rechtsträger, Rechtsgebilde, aber auch Einheiten oder Gesamtheit.). Ich mache durch Verschiebungen der Portfolios untereinander aus diesen Unternehmen zwei „Pure Plays“ mit Fokus auf die Region Deutschland und die Region CEE – und hoffe, dass sie mit dieser Ausrichtung mehr wert sind als die Gesamtheit zuvor oder als bisherige Gesellschaften.
Und die Unternehmen ziehen sich aus Wien zurück.
Ettenauer: Genau. Die Frage ist dann, ob der Eigentümer die Unternehmen weiterhin von Wien aus verwaltet und am Börsenplatz Wien bleibt. Unternehmen mit Schwerpunkt Deutschland tun das sicher nicht, und bei CEE bin ich mir auch nicht so sicher. Die CA Immo AG, die Immofinanz und S IMMO AG haben einen relativ bescheidenen Österreich-Anteil, es ist lediglich rund ein Zehntel des Portfolios. Die Immobilien bleiben zwar in Wien, das ist schon richtig, aber es ergibt aus internationaler Sicht keinen Sinn, das Headquarter in Wien zu belassen.
Das wäre für den Immobilien- und Börsenplatz Wien aus meiner Sicht fatal. Danach wäre die Sonderstellung Wien mit ihren börsennotierten AGs Geschichte. CA Immo, Immofinanz und S IMMO sind zudem im ATX relativ umsatzstark, was den Aktienhandel betrifft.
Diese Idee, die AGs zusammenzulegen, ist ja nicht neu, die hatten Sie auch bereits.
Ettenauer: Es gab diese Überlegung hinsichtlich der CA Immo AG und der Immofinanz. Die Idee war, zu fusionieren und den Sitz natürlich in Wien zu belassen – das wäre auch sinnvoll gewesen. Was uns vorschwebte, war damals ein faires Austauschverhältnis, um auch die Zustimmung der Hauptversammlungen zu bekommen. Es wäre eine patriotische Lösung gewesen.
Die CA Immo AG hat im April 2015 ein faires Angebot von 2,80 Euro pro Aktie unterbreitet.
Sie haben früher bei der CA Immo AG Deals durchgeführt, die „transforming“ waren, wie beim Europolis-Kauf und dem Vivico-Portfolio. Was würden Sie jetzt mit der CA Immo tun?
Ettenauer: Die Bilanz der CA Immo erlaubt nicht unmittelbar Developments von zwei oder drei Milliarden Euro, ohne die Bilanzkennzahlen und Rating-Ratios zu beschädigen. Ich hätte daher die Developments in Deutschland ausgelagert und die CA Immo AG „zweigeteilt“. In den Development-Fonds hätte ich kapitalstarke Partner geholt, um Cash zu bekommen. Mit diesen Drittgeldern kann man die Developments beschleunigen und den günstigen Zyklus nutzen.
Eine hohe Eigenkapitalquote ist die beste Versicherung für ein Unternehmen. Mit dem Verkauf eines 49-prozentigen Anteils am Developmentportfolio würde einerseits Gewinn realisiert, und man könnte andererseits die Projekte schneller entwickeln. Ich gebe zwar mit 49 Prozent einen Teil des Potenzials auf, aber ich realisiere zumindest diesen Teil und bin für Marktschwankungen besser gerüstet. An einem zu geringen Gewinn ist noch keiner gescheitert.
Es ist eine grundlegende Anforderung an jedes Unternehmen, sich strategisch so aufzustellen, dass man auch in drei bis vier Jahren erfolgreich ist.
Keiner hat eine Garantie, wie sich die Wirtschaft entwickelt, und man sollte sich auch auf Risiken vorbereiten. Der beste Allwetterschutz ist eine starke Bilanz.
Zu den beiden Deals von früher möchte ich sagen, dass der Vivico-Kauf 2007 damals durchaus umstritten war, aber ohne diesen und den Kauf des Europolis-Portfolios wäre die CA Immo AG nicht das, was sie heute ist. Sie profitiert immer noch von den damaligen Entscheidungen.
Derzeit gibt es zwei Player, die Interesse an den drei AGs haben.
Ettenauer: Ich denke, Starwood würde den internationalen Ansatz wählen: mit Konzentration auf Deutschland und einem deutschen Vehikel. Professionalität ist sicher gegeben, bei Langfristigkeit der Investition fällt mir der Glaube schon schwerer. Die Zielrichtung ist aufgrund der Angebotsstruktur aber klar. Das Target ist die CA Immo. Komplex wird die Sache nur, weil die drei Unternehmen untereinander verschachtelt sind und zudem eigene Aktien halten.
Die Idee von Starwood ist glaublich, nicht eine große Gesellschaft zu schaffen, sondern sich auf Deutschland zu konzentrieren. Realisierungsgeschwindigkeit und begrenzter Eigenmitteleinsatz sind die treibenden Faktoren, Sentimentalität hat keinen Platz. Auch das Interesse am CEE-Portfolio halte ich für nicht dramatisch groß, ich denke, dass dies eher eine Deinvestitionsgeschichte wäre.
Ich bin neugierig, was Starwood macht. Ich glaube nur, dass für die österreichische Interessenslage im Sinne aller Stakeholder eine Lösung gut ist, in der die Unternehmen in Wien bleiben und es zu keiner Zerschlagung kommt.
Das wäre dann die SIGNA als Investor.
Ettenauer: René Benko hat sicher ein größeres strategisches Interesse, was Wien betrifft, und es hätte für ihn Sinn, den Sitz in Wien zu belassen. Ich denke, dass er auch an einem großen Vehikel interessiert ist.
Warum?
Ettenauer: Weil er dann Spielraum für andere Aktivitäten hat. Er hat dann auf der einen Seite ein börsennotiertes Unternehmen und auf der anderen Seite Fonds. Damit hat er zwei Zugänge zum Kapital- und Geldmarkt und kann auch die Synergien zwischen den Unternehmen nutzen. Er könnte Teile des Developmentgeschäfts der CA Immo zum Beispiel in einen Fonds einbringen und sich umgekehrt damit Zugang zu Core-Investitionen sichern.
Jetzt matchen sich die beiden (Anm. d. Red.: Starwood und SIGNA), aber sinnvoller wäre es für die SIGNA natürlich gewesen, wenn sie schon vor einem Jahr mit ihrer Akquise begonnen hätte. Jetzt ist der Plan für jeden offensichtlich.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko für die Immobilienpreise durch steigende Zinsen ein?
Ettenauer: Rückblickend auf 2008 waren es nicht die Zinsen, sondern eine Vertrauenskrise, ausgelöst durch toxische Papiere, die die Interbankgeschäfte nahezu zum Erliegen brachten. Ich denke, dass auch in Zukunft eine Vertrauenskrise – möglicherweis ausgelöst durch unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Absicherung von Derivativpositionen, eine Kreditverknappung auslösen könnte.
Meine Meinung ist, dass so eine Situation mehr Risiko birgt als mäßig steigende Zinsen. Man darf niemals vergessen: Zyklen halten nicht ewig. Wir leben in einem Umfeld von großer Unsicherheit. Es fließt sehr viel Geld in Immobilien, das da nicht hinfließen würde, wenn es andere renditeähnliche Alternativen geben würde. Ich fürchte, dass wir ziemlich am Zyklushochpunkt sind. Mit dieser Einschätzung bin ich kein Pessimist, sondern Realist.