Die Neubauleistung auf dem heimischen Büromarkt ist in diesem Jahr doppelt so groß wie 2023. Ein Grund zum Aufatmen ist das allerdings nicht. Die neu errichteten Büroflächen betrugen im Vorjahr 45.000 bis 50.000 Quadratmeter (je nach Büromarktbericht) und heuer rund 95.000 Quadratmeter. Das ist für eine Metropole wie Wien de facto zu wenig, zumal fast zwei Drittel der auf den Markt kommenden Projekte vorvermietet bzw. eigengenutzt sind und daher nicht mehr zur Verfügung stehen. „Das Angebot an hochwertigen Neuflächen in erstklassigen Lagen ist in Wien nach wie vor nicht ausreichend, um die bestehende Nachfrage zu decken“, sagt Stefan Wernhart, Geschäftsführer von EHL Gewerbeimmobilien. Vor allem, da sich die Suche der Mieter auf wenige Gebiete konzentriert. Es gibt eine eindeutige Fokussierung „auf zentrale Lagen und hochwertige Objekte, entweder in der Innenstadt oder in den Büroclustern“, stellt Elisa Stadlinger fest, ihres Zeichens Geschäftsführerin Gewerbeimmobilien ÖRAG Immobilien.
Ungesunder Leerstand
Das geringe Angebot und die hohe Nachfrage drücken die Leerstandsrate auf nur 3,4 Prozent. Das ist laut Savills unter Europas Metropolen nach Paris mit 2,4 Prozent der zweitniedrigste Wert. Stefan Wernhart: „Wir haben derzeit ein Niveau erreicht, das für den Markt nicht mehr als gesund betrachtet werden kann.“ Vor allem in den besonders nachgefragten Lagen ist kaum Potenzial vorhanden, wie Alexander Fenzl, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien, anmerkt: „Am Hauptbahnhof gibt es de facto keinen Leerstand, und auch im Zentrum Wiens sind nur wenig hochwertige Büros verfügbar.“ 3,4 Prozent sind eben nur der Durchschnitt, und betrachtet man die Leerstandsquote in Wien genauer, zeigt sich, dass sie laut OTTO Immobilien in den inneren Bezirken (CBD – Central Business District) bei 2,56 Prozent und beim Hauptbahnhof bei lediglich 1,73 Prozent liegt.
Neubautätigkeit bliebt hinter den Erwartungen zurück
Besser wird die Angebotssituation in der kommenden Zeit allerdings nicht. Elisa Stadlinger: „Die Neubautätigkeit ist durch die hohen Bau- und Finanzierungskosten sowie die wirtschaftlichen Unsicherheiten stark zurückgegangen und bleibt weiterhin hinter den Erwartungen zurück.“ Das Gut „moderne Büroflächen“ bleibt auch in den nächsten Quartalen knapp und wird sich bei etwas über 100.000 Quadratmetern pro Jahr einpendeln. Im Jahr 2025 sollen es laut EHL Immobilien insgesamt rund 120.000 Quadratmeter sein. Diese umfassen eine Reihe qualitativ hochwertiger und nachhaltiger Projekte wie etwa das Carré Muthgasse, das LeopoldQuartier, den Central Hub, Grand Central, enna und VIENNA TWENTYTWO. In den Jahren 2026 und 2027 sollen laut OTTO Immobilien insgesamt rund 210.000 Quadratmeter dazukommen. Zwei Drittel davon befinden sich bereits in der Bauphase. Auch wenn die aktuelle Situation „spürbar das Interesse der Unternehmen dämpft, nach neuen modernen Flächen Ausschau zu halten, so könnten diese Neubauten im Idealfall das Interesse der Firmen neu entfachen“, hofft Stefan Wernhart.
Die Bürolandschaft hat sich stark verändert
„Kleiner, aber feiner“ lautet nach Ansicht von Ewald Stückler, Geschäftsführer Tecno Office Consult, der derzeitige Trend bei den neuen Arbeitswelten. Dieser hat vordergründig nichts mit dem Mangel an geeigneten Büroflächen zu tun, sondern mit einem allgemeinen Wandel und einem neuen Verständnis der Arbeitsumgebung: „Durch die Entwicklung neuer Arbeitswelten nach Covid-19 hat sich die Bürolandschaft stark verändert.“ Homeoffice Hybrid Meetings, Videokonferenzen am Arbeitsplatz oder Activity Based Working sind nur einige Themen, welche die Arbeitswelten von heute beeinflussen. Ewald Stückler: „Büroflächen werden bis zu 50 Prozent verkleinert, da durch den Anteil von Homeoffice etc. weniger Mitarbeiter als in der Vergangenheit zu bestimmten Tagen im Büro anwesend sind.“ Es wird in der Innenarchitektur mehr Wert auf die Einrichtung gelegt, es gibt eine neue Aufenthaltsqualität in den allgemeinen Bereichen wie Collaboration Areas, Coffee Corners und Meeting-Räumen. Verzichtet wird zunehmend auf den persönlichen Schreibtisch. Hier geht es Richtung Homebase, wenn innerhalb der Abteilung die Aufenthaltsbereiche vergrößert und die Arbeitstische reduziert werden, wobei sich die Mitarbeiter wegen der unterschiedlichen Ab- oder Anwesenheit im Büro die Arbeitstische teilen müssen. „Hybride Arbeitsmodelle haben die Nachfrage nach starren und nicht modernen Büroflächen im Alt- wie Neubau verringert“, bestätigt Elisa Stadlinger.
Mitarbeiter-Benefits
„Der Kriterienkatalog für die Standortsuche wurde auch im Bereich Mitarbeiter-Benefits geschärft“, stellt Ewald Stückler fest. Neben der optimalen Lage ist die Infrastruktur samt der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein absolutes Muss; Standorte mit U-Bahn-Anbindung werden bevorzugt. Aufgrund des Nachhaltigkeitskriteriums gebe es außerdem eine starke Nachfrage nach generalsanierten Bürostandorten.“ Die technischen Anforderungen an das Gebäude müssen aber auch die generalsanierten Bürogebäude erfüllen. Kühlsysteme wie Bauteilaktivierung, Kühlsegel, Doppelboden etc. sind für Firmen Must-haves.
Adaptierungen derzeit schwer umsetzbar
Projekte, die diese Features nicht bieten, tun sich selbst auf einem angespannten Markt schwer, so Alexander Fenzl: „Es zeigt sich sehr klar, dass in nachgefragten Lagen Büros in schlechtem Zustand oder mit geringwertiger Ausstattung nur schwer vermietbar sind.“ Die Alternative lässt sich derzeit allerdings schwer umsetzen. Eine umfangreiche Adaptierung oder Neugestaltung von Büroflächen erfordert mittlerweile einen finanziellen Aufwand, der um ein Vielfaches höher ist als noch vor zehn Jahren, und rechnet sich zu den aktuellen Mieten weder für den Vermieter noch für den Mieter. Alexander Fenzl erwartet daher ein weiteres, graduelles Ansteigen der Mieten, wobei das Mietpreiswachstum in den besseren Lagen deutlich höher ausfallen sollte: „Solange noch ausreichend Angebot am Markt verfügbar ist, werden die Erstbezüge aufgrund der Baukosten zwar vergleichsweise mehr kosten, aber die bestehenden Flächen zu kaum höheren Preisen vermietbar sein.“
Doch nicht nur die Mieten steigen, sondern „auch die Betriebskosten wegen höherer Energie- und Bewirtschaftungskosten“, erklärt Elisa Stadlinger, ÖRAG: „Da fast alle Mietverträge nach dem VPI indexiert sind, trifft dieses Phänomen neben Neubauten auch Bestandsmietverträge. Ältere und weniger attraktive Objekte könnten dagegen mit Preisdruck und höheren Leerständen konfrontiert sein, da sie weniger gefragt sind.“ Neue Büroprojekte in sehr guten Lagen werden daher auch zukünftig ihre Mieter finden, jene in den schlechteren Lagen werden zunehmend Leerstände aufweisen.
Ob sich eine Renovierung alter Gebäude dann noch rechnet, wird sich zeigen. Die Ansprüche der suchenden Unternehmen sind hoch. Sie legen an ihren Standorten vermehrt Wert auf Flächeneffizienz, ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) und Kosteneffizienz, was moderne, nachhaltige Bürogebäude besonders attraktiv macht. „Die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Büroflächen zeigt, dass Unternehmen zunehmend auf ökologische und ökonomische Effizienz achten. Diese Entwicklung wird den Markt in den kommenden Jahren prägen“, ist Philipp Granabetter, Senior Berater Büroflächen bei OTTO Immobilien, überzeugt.
Gesucht und gemietet wird weiterhin
Trotz des schwierigen Umfelds gibt es am Markt viel Bewegung. Nach derzeitigem Stand kann die Gesamtvermietungsleistung im Jahr 2024 voraussichtlich das prognostizierte Niveau von ca. 160.000 Quadratmetern erreichen. „Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Rahmenbedingungen wäre dies als sehr positiv zu bewerten“, so Stefan Wernhart: „Damit würde das Ergebnis lediglich geringfügig unter dem Vorjahreswert von 170.000 Quadratmetern liegen.“