Im zweiten Quartal 2020 summierte sich die Vermietungsleistung auf dem Wiener Büromarkt laut Vienna Research Forum auf 30.596 Quadratmeter – insgesamt waren es laut EHL-Marktbericht im ersten Halbjahr rund 58.000 Quadratmeter. Dieser geringe Flächenumsatz ist aber nicht nur auf Corona zurückzuführen, sondern auch auf „das niedrige Fertigstellungsniveau im Jahr 2019 und in den ersten Monaten des Jahres 2020“, heißt es in dem Bericht. Zudem schlug sich das Fehlen großer Neuflächen auch im Ausbleiben großvolumiger Vermietungen nieder.
„Es gibt zwar derzeit ein eher begrenztes Angebot an Büroflächen, das hat aber weniger mit Corona zu tun als mit der Tatsache, dass es im vergangenen Jahr kaum Fertigstellungen von neuen Projekten gab“, so Martin Müller, geschäftsführender Gesellschafter von JP Immobilien.
Unverändert bleiben auch die Mieten. Die Spitzenmieten befinden sich seit Jahren recht konstant auf einem hohen Niveau von rund 25,50 Euro pro Quadratmeter. Auch die Durchschnittsmieten konnten ihren in den letzten Monaten leicht gestiegenen Wert halten und liegen aktuell bei 14,85 Euro pro Quadratmeter. Das sind die Fakten, aber der Markt verändert sich massiv und wird sich auch in den kommenden Monaten weiter verändern.
Corona zeigt seine Auswirkungen, die sich in den kommenden Jahren sicherlich noch verstärken werden, denn die Auseinandersetzung mit dem Thema Büro, Büroflächen und Arbeit hat jetzt erst den Markt erfasst. „Viele Unternehmen haben sich anlässlich der Covid-Krise eingehend mit dem Thema Büro beschäftigt“, so Elisa Stadlinger, Leitung Büro- und Gewerbeimmobilien bei der ÖRAG. Vordergründig gehe es um die Themen Abstand und Hygienemaßnahmen, Lärm, Sitzabstände, Lüftungssysteme und ähnliche „technische“ Angelegenheiten, „aber die Anforderungen an das Büro“ bzw. an Büroflächen würden weiterhin überdacht werden.
Erstes Ziel: Büroflächen sparen!
Aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten gilt es für zahlreiche Unternehmen, erst einmal Büroflächen einzusparen. Stefan Wernhart, Geschäftsführer bei EHL Gewerbeimmobilien: „Insbesondere Unternehmen, die einen sehr hohen Anteil an Remote-Office-Arbeitsplätzen realisieren können, evaluieren derzeit ihren Flächenbedarf.“ Der Evaluierung werden die Büronutzungskonzepte und etwaige Standortverlegungen folgen. Denn der Covid-19-bedingte flächendeckende Lockdown hat die Arbeitsstrukturen vieler Unternehmen während der letzten Monate stark verändert.
Die Lehren aus Corona werden umgesetzt
Ein deutlicher Digitalisierungsschub über alle Branchen hinweg zur Integration von Remote-Working war eine erfreuliche Entwicklung dieser Ausnahmesituation. „Video-Meetings, Work from Home und Remote-Lösungen haben sich in kurzer Zeit etabliert und werden von vielen Unternehmen beibehalten, wo es zweckmäßig erscheint“, meint Stefan Wernhart: „Diese Learnings möchten die Unternehmen nun kurz- bis mittelfristig in der Gestaltung ihrer Büroflächen umsetzen.“
Die Verantwortlichen in den Unternehmen beginnen daher, nach einer Phase des Abwartens und Beobachtens ihre Bürosituation aktiv an die Rahmenbedingungen anzupassen. „Ansätze wie die gesamte Belegschaft in zwei Gruppen zu teilen, die abwechselnd das Office nutzen, sind ja keine langfristigen Lösungen“, meint Felix Zekely, Geschäftsführer von OPTIN Immobilien. „Viele sehen dies auch als Chance zur Neugestaltung der Organisationsstruktur und zur Implementierung moderner, flexibler Arbeitswelten.“
Büro als Ort des Informationsaustausches
Treffen, kommunizieren und arbeiten – so soll das Büro in Zukunft noch viel stärker als bisher zu einem Ort des Informationsaustauschs werden. „Der soziale Kontakt der Menschen untereinander bleibt unverzichtbar“, meint Stefan Wernhart. Das physische Büro soll mit qualitativ hochwertigen, modernen Bürokonzepten die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stärken. Es liefert zudem einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der eigenen Employee-Experience – indem es ein möglichst inspirierendes Arbeitserlebnis für Mitarbeiter schafft, das sich unmittelbar auf deren Engagement für das Unternehmen auswirkt.
Höhere Qualität, besserer Standort, ein höherer Anteil von Lounge- und Meetingflächen, kombiniert mit weniger Desks, da das Homeoffice erhalten bleiben wird. Denn Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Homeoffice stellt dort, wo es möglich ist, eine sinnvolle Ergänzung dar. „Alleiniges Homeoffice ist aber nur dort möglich, wo es keine kreative Zusammenarbeit braucht bzw. wo niemand sich weiterentwickeln oder etwas erlernen muss“, zeigt Elisa Stadlinger die Grenzen des Arbeitens zu Hause auf.
Beschäftigung mit den Geschäftsmodellen
Im Umkehrschluss ist es sinnvoll, sich in der Post-Corona-Zeit noch mehr mit den Geschäfts- und den Arbeitsmodellen zu beschäftigen. „Das Management vieler Unternehmen überdenkt nun die Bürostruktur und die Bürokonzepte, aber auch die Arbeitsweisen in den Unternehmen“, so Stadlinger.
„Es wird wohl auch der Serviced-Office-Sektor mittelfristig profitieren, da hier der gesamte Bewirtschaftungs- und Hygieneaspekt auslagert wird und die Mieter jederzeit die Anzahl der Arbeitsplätze an ihren Bedarf anpassen können“, so Zekely. Es ist daher zu erwarten, dass dieser Sektor einen Großteil der frei werdenden Flächen übernimmt, um den Firmen ihre Flexibilität im Hinblick auf die kommenden Monate zu bewahren. In welcher Form sich die Übernahme des Risikos von freien Büroflächen in der Miete auswirken wird, ist aber noch nicht abzuschätzen.
Voraussagen schwer zu treffen
Überhaupt sind Voraussagen für die kommenden Monate schwer zu treffen. Eines stehe aber fest, meint Martin Müller: Speziell der Büromarkt müsse sich „den flexibler werdenden Arbeitsbedingungen der Zukunft definitiv anpassen und die Bedürfnisse der Menschen laufend evaluieren“. Das wirtschaftliche Experiment mit einem Lockdown über den gesamten Globus ist noch nicht hinter uns, denn die Wirtschaft scheint sich nicht so schnell zu erholen, wie man es sich in Österreich, aber auch europaweit gerne sehen würde. Was aber für Wien spricht, ist, dass „der Wiener Büromarkt derzeit zu den stabilsten und attraktivsten Büromärkten in Europa zählt“, so Müller.
Letztendlich wird die gesamte Situation „zu viel Bewegung im Jahr 2021 führen“, ist Felix Zekely überzeugt.