Harald Greger (GF Aluminium-Fenster-Institut), Silvia Wustinger-Renezeder (GF SEG), Arch. Gerda Gerner (GF Gerner°Gerner plus), Robert Lechner (GF Österr. Ökologie Institut).
Wie sehr sind in Ihrer Arbeit nachhaltige Werkstoffe ein Thema?Gerner: Hundertprozentig, weil wir ja alle wissen, dass das mehr als ein viel diskutiertes Thema der Zeit ist. Für uns gehören aber zur Nachhaltigkeit neben den Werkstoffen auch andere Bereiche, wie soziale Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit oder niedrige Betriebskosten – das geht alles Hand in Hand. Es wird heute mehr als gestern in diese
Richtungen gedacht.Wie stellt sich Nachhaltigkeit von Seiten des Bauträgers dar?Wustinger-Renezeder: Wir sind sehr stark beim Endkunden und bauen Wohnungen, die vom Kunden selbst genutzt oder als Anlage gekauft werden. Das Life Cycle Management (Lebenszykluskosten der Immobilie von der Planung bis zum Abriss – Anm. d. Red.) ist dem Kunden noch nicht so wichtig. Es entwickelt sich zwar schon ein Bewusstsein dafür, aber was im Moment wahnsinnig wichtig ist, sind die Energiekosten, Energieeffizienz und die Betriebskosten. Es geht sogar so weit, dass die Kunden bereit sind, mehr für eine Wohnung zu zahlen, wenn die Betriebskosten effizienter sind.
Das heißt, Effizienz und Nachhaltigkeit muss sich für den Kunden gleichrechnen.
Wustinger-Renezeder: Oder auch spürbar sein, indem er unabhängig ist bei der Energieproduktion, etwa mit Photovoltaik, Wärmepumpen oder Solarheizung. Rechenbar ist, wenn die Wärmedämmung entsprechend gut ist, die Fenster einen hohen U-Wert haben und es für den Kunden finanziell direkt wahrnehmbar ist.
Gerner: Der Kunde wünscht sich intelligente Produkte, die etwas mehr können, die zum Beispiel lange halten, sich leicht reinigen lassen oder von der Handhabung her einfach sind. Das gehört dazu, wenn ein Material beim Endkunden einen Mehrwert erzeugt.
Lechner: Wir wissen alle, dass die fossilen Energieträger steigen werden und Wohnungen, die wenig brauchen, sind einfach besser. Vor zehn Jahren hätten wir angezweifelt, ob das so sein wird, aber bei der Energie ist es so augenscheinlich. Das Material ist für mich ganz entscheidend für die nächste Quelle der Verknappung. Werkstoffe, die eine hohe Chance auf Wiederverwertung haben, werden sukzessive besser abschneiden. In zehn Jahren werden wir nicht mehr über Energie reden, das ist dann gegessen, sondern das Thema werden langlebige Produkte sein, die in der Handhabung einfach sind, in der Wartung möglichst problemlos und wenig anfällig gegen Abnutzung aber auch sehr pflegeleicht.
Intelligente Produkte, Wiederverwertbarkeit – wie stellt sich das für Sie dar?
Greger: Auf der einen Seite habe ich die monatlichen Betriebskosten und auf der anderen Seite die Kosten für Materialien, die ich warten muss und die ausgewechselt gehören. Diese fallen zwar erst nach Jahren an, sind für mich jedoch auch Betriebskosten, wenn auch außerhalb der direkten Wahrnehmung. Bei den Betriebskosten wird in Zukunft sicherlich die Überlegung dazukommen, welches Material, welcher Werkstoff ist es, den ich hier nutze. Wir vom Aluminium-Fenster-Institut versuchen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es auch relevant ist, wie gut ein Produkt über Jahre funktioniert, wie oft ich es warten muss und was es wirtschaftlich bedeutet, wenn ich das Produkt, wie ein Fenster oder eine Türe, über den ganzen Lebenszyklus eines Gebäudes rechne.
Lechner: Die spannende Frage ist die Materialität über den normalen Produktzyklus eines Bauteiles, wenn das Produkt aus der Erstnutzung herausfällt, wie es eine Zweit- und Drittnutzung erfahren kann. Was machen wir mit den Materialien? Die gebaute Umwelt ist eines der wichtigsten Rohstofflager, das wir besitzen. Was mache ich damit, wenn ich es nicht mehr brauche?
Greger: Urban Mining ist unser Thema (siehe Kasten unten, Anm. der Redaktion). Aluminiumwäre zum Beispiel ein ideale Stoff dafür. Es gibt keinen Qualitätsunterschied zwischen ungeschmolzenem und recyceltem Aluminium und deswegen kostet es auch gleich viel. Ich sehe es auch als unsere Aufgabe, diesen Gedanken beim Käufer bewusst zu machen.
Gerner: Die Herausforderung wäre, dass man gar nicht mehr Neues produziert, sondern das, was vorhanden ist, wieder verarbeitet.
Wie weit sind Käufer über solche Themen informiert?
Wustinger-Renezeder: Wir haben derzeit einen sehr aktiven am Markt befindlichen Investorenkunden. Das ist eine neue Kundenschicht. Jemand, der eine Wohnung als Investment kauft und der sie wirklich nachhaltig haben will. Solche Käufer machen eine Rentabilitätsrechnung für 20 Jahre und mehr und in unserer Kalkulation ist auch eine Position drinnen, was ich als Eigentümer für Investitionsaufwendungen in den nächsten Jahrzehnten brauchen werde. Das sind auch für die Investoren wichtige Komponenten.
Was ist Ihnen in Bezug auf Wohnungen in den letzten Jahren aufgefallen?
Wustinger-Renezeder: Die Leute haben weniger Geld und die Kosten steigen. Die Wohnungen werden daher kleiner, um leistbar zu bleiben. Wir stehen vor neuen Herausforderungen. Wir sind mittlerweile gezwungen, mit 60 bis 70 Quadratmetern das gleiche Wohngefühl zu liefern, wie wir es früher in größeren Wohnungen hatten. Wir müssen mit den selben Raumanforderungen bei kleineren Räumen einem großen Freiraumangebot optische Möglichkeiten liefern, was vorher nicht gefragt war. Wir sind daher notgedrungen, größere und bessere Öffnungen zu machen und mit dem Innen und Außen mehr zu spielen.
Greger: Damit ändert sich aber auch die gesamte Wohnung in ihrer Anmutung und das Lebensgefühl wird ein anderes, ein zeitgemäßes. Wir stehen hier vor einer großen Veränderung. Unter Wohnlichkeit wird heute Lichtdurchflutung, Farbgebung und Design verstanden. Zirbenstuben gibt es auch, aber das ist eine andere Art von Wohnlichkeit.
Eine Frage zum Abschluss: Worüber werden wir uns in fünf Jahren unterhalten?
Gerner: Ich kann mir gut vorstellen, und da gibt es ja schon Studien dazu, dass man bald keine Energiekosten mehr zahlt, sondern man ein Plus an Energie produziert. Man versorgt nicht nur die eigene Wohnung, sondern auch andere Bereiche mit Energie. Vielleicht finden wir auch noch zusätzliche Energiequellen, an die wir heute noch gar nicht denken.
Lechner: Es geht nach meinem Geschmack derzeit zu stark in den Bereich Werbung und alles ist nachhaltig. Es ist viel wichtiger, eine gewisse Form von Qualitätssicherung, Ehrlichkeit und Transparenz zu gewährleisten im Bereich Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit wird kein Thema mehr sein, wenn die Logik des Bauens auf einer hohen Stufe stattfindet. Ich werde niemandem etwas verkaufen können, was zu viel Energie braucht oder nicht wieder verwertbar ist.
Wustinger-Renezeder: Wir bauen gerade eine Reihenhausanlage und einer unserer Kunden hat zum Passivhaus noch Sonderwünsche im Bereich „Energieerzeugung“. Heute ist es ein Sonderwunsch und ich würde mich freuen, wenn in fünf Jahren solche Extras zur Standardausführung gehören.
Greger: Die Nachfrage zum dem Thema „Nachhaltigkeit“ wird immer wichtiger, aber was ist eine nachhaltige Immobilie? Das ist noch sehr unspezifiziert und undefiniert. Da fehlt noch sehr viel Überzeugungsarbeit und auch Arbeit am Produkt Immobilie und wir können alle etwas dazu beitragen.
Urban Mining – Rohstoffe der Zukunft
Urban Mining bedeutet wörtlich aus dem Englischen übersetzt „städtischer Bergbau“. Städte sind riesige Rohstoffminen. In Zeiten schrumpfender natürlicher Lagerstätten bei gleichzeitig wachsendem Rohstoffhunger der Volkswirtschaften, wird die effiziente Nutzung bereits vorhandener Ressourcen wirtschaftlich immer dringlicher.
Bauwerke zum Beispiel sind wertvolle Rohstofflager. Aluminium gilt als eines der idealen Materialien für „urban mining“.