Ausgangssperren, Maskenpflicht, geschlossene Geschäfte und Restaurants, eingeschränkte Sozialkontakte, gesundheitliche und wirtschaftliche Sorgen. „An das ausklingende Jahr 2020 werden wir uns zeit unseres Lebens erinnern“, meint Stefan Brezovich, Vorstand der ÖRAG, über ein Jahr, das sich ins kollektive Bewusstsein eingeprägt hat. Die Immobilienwirtschaft bildet da keine Ausnahme. Wie kalt es einige Unternehmen erwischt hat, zeigt die Situation bei Arnold Immobilien. Die Eröffnung von Büros in Mailand und Madrid fiel genau in den Beginn des Lockdowns. „Die Büros waren noch nicht einmal ordentlich bezogen, da mussten wir die Mitarbeiter schon ins Homeoffice schicken“, blickt Geschäftsführer Markus Arnold auf das Frühjahr zurück. Relativ schnell hatte man sich aber in den einzelnen Unternehmen an die zu managenden Herausforderungen angepasst – inklusive einer stark veränderten Kommunikation innerhalb der Unternehmen.
Relativ schnell stellte sich heraus, dass Immobilien eine hervorragende Investition in Krisenzeiten sind. Die Veranlagung in Immobilien blieb angesichts von Negativzinsen und gewaltiger staatlicher Stützungsmaßnahmen – und den vielfach befürchteten Folgen für die Geldwertstabilität – für institutionelle Investoren wie auch für Privatpersonen weiterhin attraktiv. „Die Immobilienpreise sind meiner Ansicht nach relativ stabil geblieben“, meint Georg Spiegelfeld, Spiegelfeld Immobilien: „Es gab keine Katastrophen, und die Rede vom Betongold ist weiterhin aktuell.“ Und so wie es aussieht, könnte dieser Zustand anhalten. Stefan Brezovich: „Die Anziehungskraft wird mangels attraktiver Alternativen noch länger bestehen bleiben.“
Die Branche ist mit wenigen Ausnahmen gut durch das Jahr 2020 gekommen. Die Auswirkungen in den einzelnen Immobiliensegmenten waren jedoch sehr unterschiedlich. So haben sich sogar „Teile der Immobilienwirtschaft, allen voran Logistik und Wohnimmobilien, als Krisengewinner erwiesen“, meint Alexander Neuhuber, MAGAN Advisors.
Lösung für Mietausfälle
Die befürchteten Szenarien bei den Mieten – Stillstand und massenhafte Zahlungsausfälle – haben sich letztlich nicht bewahrheitet. Die Mietausfälle waren zwar in allen Segmenten ein großes Thema, „aber das ist gut gemanagt worden“, meint Georg Spiegelfeld: „Ich habe mir gedacht, dass es ärger wird, aber das war es nicht. Es wurde sehr fair miteinander umgegangen.“ In den gewerblichen Assetklassen trafen sich Mieter und Vermieter auf Augenhöhe und versuchten die Situation gemeinschaftlich zu lösen. So war auch für Katrin Gögele-Celeda, Country-Managerin Operations Österreich der IMMOFINANZ, „die größte Aufgabe in der Pandemie die laufende Kommunikation mit den Mietern“.
Erhaltung der Wohnqualität
Kommunikation war nicht nur im Gewerbe, sondern auch beim Wohnen gefragt. Die heimischen Hausverwalter waren in dieser äußerst komplexen Situation gefordert, denn die Einschränkungen des täglichen Lebens brachten auch erhebliche Erschwernisse für deren Arbeit. Georg Edlauer, Fachverbandsobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Die MitarbeiterInnen in den Hausverwaltungen haben sich wirklich alle bemüht, in dieser herausfordernden Zeit beste Arbeit zu leisten, um die Wohnqualität zu gewährleisten.“ Eine Qualität, die umso wichtiger war, als sich der Stellenwert der eigenen Wohnung – egal, ob Miete oder Eigentum – verändert hat. Größere Wohnungen, mehr Freiflächen und Suche im Umland der Städte waren die Trends, die sich zwar schon angekündigt hatten, aber im laufenden Jahr massiv verstärkten.
Mehr Zeit in der Wohnung, aber weniger im Büro war 2020 angesagt. Trotzdem erzielte der Wiener Büromarkt laut EHL-Marktbericht ein angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds äußerst erfreuliches Ergebnis. Mit einer Vermietungsleistung von rund 200.000 Quadratmetern wurde der Vergleichswert von 2019 annähernd erreicht. Damit zeigte sich der Vermietungsmarkt auch in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld sehr robust.
Große Herausforderung für den Handel
Für kaum eine Sparte war das Jahr 2020 eine größere Herausforderung als für den Handel. „Zweifellos ist Corona der Anlass für gravierende Veränderungen im stationären Handel, doch handelt es sich lediglich um eine Beschleunigung, die Ursachen liegen tiefer“, meint Romina Jenei von RegioPlan. Hier werden sich die Nachwirkungen weit in die kommenden Jahre hineinziehen, da die wirtschaftlichen Auswirkungen im Einzelhandel eine bestehende Strukturlast verstärken.
2020 wird zwar wie jedes Jahr mit dem 31. Dezember enden, aber die Überwindung der mittel- und langfristigen (wirtschaftlichen) Folgen der Corona-Pandemie wird die große Aufgabe der nächsten Jahre sein. „Leider werden wir die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen auch ins neue Jahr „mitnehmen“ und uns zumindest im ersten Halbjahr noch damit auseinandersetzen müssen“, meint Michael Ehlmaier, EHL Immobilien, aber er bleibt optimistisch: „Im Großen und Ganzen blicken wir zuversichtlich ins neue Jahr.“