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10 Fragen an Birgit Kraml, Immobilien-Rechtsanwältin und neue Chairwoman des Urban Land Institute Österreich

Die auf Transaktionen, Bestands- und Nachhaltigkeitsrecht spezialisierte Immobilienrechtsexpertin und Partnerin der Anwaltssozietät Wolf Theiss ist seit 1. Juli 2023 die neue Vorsitzende des ULI und tritt in dieser Position die Nachfolge der geschäftsführenden Gesellschafterin von Kollitsch & Soravia Immobilien, Jasmin Soravia, an.

Warum Chairwoman des Urban Land Institute?

In der weltweit größten Netzwerkorganisation der Immobilienwirtschaft mitgestalten zu können, findet Birgit Kraml sehr spannend. Die 1936 in den USA gegründete Organisation arbeitet kontinenteübergreifend, und sie empfindet es als große Ehre, für Österreich den Vorsitz übernehmen zu dürfen. „Die Themen und Fragen, die uns derzeit massiv beschäftigen, sind weltweit die gleichen“, erklärt sie und sieht es als unabdinglich an, dass gemeinsam an Lösungen gearbeitet wird.

Was kann das ULI gegen den Fachkräftemangel tun?

Das ULI bietet eine Vielzahl an Webinaren zu Immobilienbranchen-relevanten Themen an, die auch von Österreich aus mitverfolgt werden können. „Wenn man interessiert ist und die Leidenschaft dafür mitbringt, findet man hier ein breites Betätigungsfeld zur Weiterbildung“, ist sie überzeugt. Auch in Österreich selbst werden zahlreiche Veranstaltungen angeboten, wie zum Beispiel gemeinsam mit PwC im kommenden November „Emerging Trends in Real Estate“.

Gleichstellung von Frauen, Inklusion und soziale Aspekte?

Gerade die Gleichstellung von Frauen ist Birgit Kraml ein großes Anliegen, da es, dem Empfinden der zweifachen Mutter nach, „für Frauen nach wie vor nicht so einfach ist, alles unter einen Hut zu bringen, insbesondere wenn man Kinder hat“. In puncto Inklusion steht für sie zentral die Frage im Raum, wie der Arbeitsmarkt gut für Menschen mit Behinderungen geöffnet werden kann und sie gesellschaftlich sichtbarer werden.

Kommt die Krise am Gewerbeimmobilien-Markt nach Europa?

New York steuert bei Gewerbeimmobilien auf die größte Leerstandsquote seit den 40er-Jahren zu. In Hinblick darauf stellt sich die Frage, ob eine neue Immobilien- und Bankenkrise auf uns zukommt. Für Birgit Kraml ist klar, dass ein Blick „hinüber“ nie schaden kann, um aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und zu evaluieren, ob ein Thema Relevanz haben könnte. Was Europa betrifft, begrüßt sie den Trend der „15-Minuten-Stadt“, der zum Ziel hat, Städte lebenswerter zu machen, indem unter anderem auch Erdgeschoßflächen wieder durch Gewerbe belebt werden. Hier käme auch der Inklusionsgedanke zum Tragen, da „weite Wege für viele Menschen ein Thema sind“.

Pleitewelle im Retail-Sektor: Haben wir den Peak schon erreicht?

Da der Onlinehandel in den letzten Jahren einen Boom erlebte, kam es im Retail-Sektor zu massiven Einbrüchen. Wie es in diesem Bereich weitergeht, wird spannend, denn es bleibt abzuwarten, „inwiefern die Leute wieder gerne in Geschäfte gehen und betreut werden wollen“, meint Birgit Kraml, merkt aber an, dass Luxusmarken im letzten Halbjahr ein Plus von 17 Prozent verzeichnen konnten.

Sollten Mieter- und Vermietervertretungen gemeinsam die Politik in die Pflicht nehmen?

Diskussionen in puncto Index legen nahe, inflationsausgleichende Maßnahmen, wie etwa Förderungen für Sanierungen, zu setzen. Birgit Kraml beschreibt das Mietsrechtsgesetz als „sehr komplex, alt und etliche Male novelliert“, sodass je nach zeitlichem Abschluss eines Vertrags unterschiedlichste Bestimmungen zum Tragen kommen. Gerade das Thema Nachhaltigkeit lädt dazu ein, festzulegende Mieten an Nachhaltigkeitskriterien zu koppeln. Für sie ist sachlich nicht zu rechtfertigen, dass oftmals „für einen schönen Altbau mit Parkettboden und hohen Räumen weniger Miete zu zahlen ist als für einen Neubau aus den 70er-Jahren, der möglicherweise wesentlich schlechter gedämmt und somit weniger nachhaltig ist“. Hier müsste man „von Grund auf novellieren und neu schreiben“, woran sich die Politik nicht wagt.

Traut sich die Politik nicht, weil die Mieter eine wichtige Wählergruppe sind?

Laut Birgit Kraml geht es nicht nur um die Wohnungs-Mieter, sondern auch um die Geschäftsraum-Mieter, da Geschäftsraummieten gleichermaßen betroffen wären. Prinzipiell jedoch hat der OGH festgehalten, dass ein Vermieter das Recht zu indexieren hat. Jeder Mietvertrag, insbesondere wenn er auf unbestimmte Dauer abgeschlossen wurde, ist indexiert. „Inflation trifft auch den Vermieter“, erklärt sie, „irgendwann fallen Investitionen für das Gebäude an, und da muss der Vermieter ja tätig werden.“

Was würde Birgit Kraml heute den Politikern sagen?

Dass sie sich um die „wahren Themen“ kümmern und nicht ständig Scheindebatten aufflammen lassen soll, ist Birgit Kramls Appell an die Politik. Es gibt viele Themen, wie zum Beispiel Bildung, der Fach- und Arbeitskräftemangel und die Arbeitslosenquote, die in Angriff genommen werden müssten. Im Bereich der Bildung stellt sich für sie die Frage, ob Kindergärten „Spiel- und Aufbewahrungsstätten“ sein sollen oder ob Bildung bereits hier zum Tragen kommen sollte. Generell ist sie der Meinung, dass nicht einzusehen ist, dass Berufsgruppen wie Ärzte, Pflegepersonal, Lehrpersonen, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, die „wesentlich für uns und das Funktionieren unserer Gesellschaft sind“, unverhältnismäßig bezahlt werden.

Politisches Engagement als Chairwoman des ULI?

Es gibt viele Themen, wie derzeit die Wiener Bauordnungsnovelle, die zu Diskussionen einladen und zu denen die Interessensverbände ihre Einschätzung abgeben. In ihrer Funktion als Chairwoman des ULI Austria möchte sich Birgit Kraml natürlich Gehör verschaffen, denn „wenn man schon die Möglichkeit hat, mitzugestalten, dann sollte man das auch tun“.

Wie wichtig ist Nachhaltigkeit?

Neben den Themen Inflation, Zinsen und Finanzierbarkeit wird das Thema Nachhaltigkeit die Immobilienbranche in den nächsten Jahren maßgeblich beeinflussen. Aus diesem Grund findet es Birgit Kraml besonders spannend, beim ULI zu sein, hat man dort doch die Möglichkeit, nicht nur länder-, sondern auch kontinenteübergreifend zu sehen, wie damit umgegangen wird. So gibt es bereits Städte, in denen eine Besteuerung der Treibhausgase eingeführt wurde. Für die Zukunft sieht sie Nachhaltigkeitskriterien als Hauptfaktor bei der Bewertung von Immobilien und weist auf die Thematik „Green Washing“ hin, die ebenfalls in den Fokus rücken wird. Generell empfindet sie es aber als „grob fahrlässig“, so zu tun, als ob die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit neu wären. „Sie begleiten uns seit mindestens 50 Jahren“, erklärt sie. Dass sie Ängste hervorrufen, kann sie verstehen, und sie sind in ihren Augen auch ernst zu nehmen, um „gemeinsam einen Weg zu finden, wie man die Zukunft – auch für unsere Kinder – besser gestalten kann“.

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  • Erschienen am:
    25.08.2023
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