Das Thema „Wohnen“ gewinnt in der politischen Debatte innerhalb von Europa zunehmend an Bedeutung. Dem „Wohnen“ kommt zwar keine eigenständige EU-Kompetenz zu, dennoch werden die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der einzelnen Mitgliedstaaten durch zahlreiche Rechtsvorschriften der EU bestimmt oder zumindest stark beeinflusst.
Zahlreiche international anerkannte Studien gelangen zu dem Schluss, dass durch Mietenregulierungen nicht mehr Wohnungen auf den Markt gelangen und solche Eingriffe in den Markt mittel- bis langfristig mehr Schaden als Nutzen bringen. Welchen Standpunkt vertreten Sie hinsichtlich einer Liberalisierung und Deregulierung?
Johannes Voggenhuber: Wohnen liegt in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Mit dem Menschenrecht auf leistbares Wohnen wird heute in ganz Europa spekuliert. Wohnen ist in vielen Städten Europas für breite Bevölkerungsschichten unerschwinglich. Es wird viel zu wenig in bezahlbares Wohnen investiert. Bei den Wohnbaukategorien zu unterscheiden (Sozialwohnungen und Gemeinde, Genossenschaftswohnungen und die privaten Bauten (untergliedert in Investoren und Eigenbedarf))Großinvestoren spekulieren auf hohe Renditen und kaufen ganze Stadtteile auf. Immobilien gelten als derzeit sicherste Anlageform auch für kleinere Vermögen, die soziale Bindung und das Grundbedürfnis bedürfen daher höherer Regulierung in dem auch soziale Kriterien berücksichtigt werden müssenDiese beiden Faktoren verstärken die Wohnungsnot und lassen die Boden- und Immobilienpreise explodieren. Der ungezügelte Kapitalmarkt wird niemals breite Schichten der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum versorgen.Hier muss einerseits die nationale Politik eingreifen und andererseits die EU bessere Voraussetzungen schaffen.Teilweise werden durch rechtliche Vorgaben der EU, wie durch die Maastricht-Kriterien und das Beihilfenrecht, die Städte und Kommunen stark beschränkt, wenn sie in sozialen und leistbaren Wohnraum investieren wollen. Es sollten daher von den EU-Gesetzgebern bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für mehr bezahlbares und soziales Wohnen geschaffen werden:
+ Erleichterung des Zugangs für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau
+ Keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau
+ Besserer Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger
+ Soziale und wettbewerbsgerechte Regeln für Kurzzeitvermietungen über Online- Plattformen
+ Kleinräumige, statistische Erfassung des Wohnbedarfs (und der Leerstehungen) in Europa
Es gilt daher vorerst „national“ die Hausaufgaben zu machen und Lösungsansätze zu finden. Nach diesen können begleitende Maßnahmen wie oben angeführt seitens der EU eingeführt werden und etwaige Liberalisierungen und Deregulieren stufenweise erfolgen
Die EU-Kommission hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf den Konsum, speziell auf das Eigentum zu verlagern, mit dem Bestreben auf diese Weise das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Welchen Standpunkt vertreten Sie zu derartigen Empfehlungen im Allgemeinen und speziell auf Österreich bezogen?
Johannes Voggenhuber: Auch hier ist zu differenzieren ob es sich um spekulative Objekte, um ererbtes Objekt zur Eigennutzung oder anderweitigen Haus und Grundbesitz handelt. Besteuerung ist daher je nach Nutzung und getätigten Investitionen zu staffeln
Welche prinzipielle Bedeutung messen Sie dem Privateigentum in der Gesellschaft zu?
Johannes Voggenhuber: Unter der ersten Frage beantwortet. Eigentum ist auch Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
In der deutschen Bundeshauptstadt wurden jüngst Forderungen auf Enteignung größerer Wohnungsunternehmen artikuliert, um adäquaten und leistbaren Wohnraum zu schaffen. Wie stehen Sie zu derartigen Enteignungsforderungen?
Johannes Voggenhuber: Der Sozialbau Wien ist als Diskussionsgrundlage in aller Munde auch in Berlin. Hier gilt auch die soziale Bindung und die Verantwortung zur Deckung des Grundbedürfnisses, daher höherer Regulierungsbedarf.
Sollte auf europäischer Ebene etwas für einen verstärkten Schutz des Eigentums unternommen werden und die Europäische Union eine größere Rolle beim Schutz der Grundrechte spielen?
Johannes Voggenhuber: Nein, dies ist bereits durch EU-Verträge sowie EU-Chartas geregelt und obliegt durch Querschnittsmaterie der Kompetenz der Mitgliedsstaaten.
Welche Aufgaben sollen der öffentlichen Hand im Rahmen der sozialen Wohnpolitik in Österreich zukommen?
Johannes Voggenhuber: In sozialen und leistbaren Wohnraum investieren. Abgestufte Steuern und Förderungen. Öffentliche Planung sind Kosten die Grundpreise sind hier nicht der Faktor. Bauen ist Sozial und braucht auch Infrastruktur. Die Infrastruktur zahl die Allgemeinheit daher sind auch Steuern im Wohnbau rechtfertigbar. 301
Erscheinen Ihnen Lenkungsmaßnahmen gerechtfertigt, die einen Wechsel der Objektförderung hin zur Subjektförderung vorsehen?
Johannes Voggenhuber: Teilweise, hängt immer von der Kategorie und Nutzung des Objektes ab.
Teilen Sie die Ansicht, dass nur jene Personen eine staatliche Unterstützung erhalten sollen, die einen gerechtfertigten Bedarf haben?
Johannes Voggenhuber: JA. Der soziale Aspekt für ein Grundbedürfnis steht hier über dem Gleichheitsgrundsatz