Grünen Immobilien gehört die Zukunft – auch als Anlageobjekte. Das ist wohl keine Frage mehr. Der Weg dahin ist aber noch eher lang. Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist auch nicht unbedingt förderlich. „Den Stein, den die EU mit der Taxonomie und den anderen Gesetzen ins Rollen gebracht hat, der rollt, und den wird auch keiner aufhalten“, fasst Marc Guido Höhne, DELTA AG, die aktuelle Situation zusammen. Er stellt aber fest: „Er wird langsamer werden.“ Vorübergehend zumindest, denn derzeit steht für zahlreiche Eigentümer weniger ESG im Mittelpunkt als die aktuelle Wirtschaftslage. „Das ESG-Thema kann man nicht besprechen, ohne die reale wirtschaftliche Situation zu betrachten“, meint Birgit Kraml, Partnerin und Head of Real Estate bei DLA Piper Österreich: „Für viele Projektentwickler ist derzeit viel wichtiger, wie sie ihr Projekt wieder auf Schiene bringen.“
Abschlag bei nicht nachhaltigen Immobilien
Eigentümer wollen ihre nicht ESG-konformen Immobilien gerne verkaufen, aber zu den aufgerufenen Preisen finden sie keine Käufer. Die Preise sind zu hoch, und die Verkäufer sind nicht bereit, Abschläge zu machen. Zu hoch bewertet stehen ihre Assets noch in den Büchern. „Investoren, die eine Immobilie verkaufen wollen, die keinen Nachhaltigkeitskriterien entspricht, müssen mittlerweile mit einem Abschlag von zehn bis 15 Prozent rechnen beziehungsweise bei der Finanzierung höhere Zinsen zu zahlen“, so Birgit Kraml. Die Banken erhöhen ihrerseits den Druck, um den Nachhaltigkeitsaspekt zu fördern. Allerdings gibt es aktuell keinen fixen Prozentsatz, der den Einfluss von Nachhaltigkeitszertifikaten auf die Wertentwicklung einer Immobilie beschreibt. „Natürlich haben wir Informationen aus dem Markt und können somit zumindest eine Bandbreite kommunizieren“, meint Peter Engert. Der Geschäftsführer der ÖGNI rechnet sogar mit einem noch höheren Abschlag: „Investoren kaufen Gebäude, die der Taxonomie nicht entsprechen, mit einem Abschlag von zehn bis 30 Prozent unter dem Marktwert, je nach Lage und der Höhe der notwendigen Investitionen in eine Sanierung.“ Grundsätzlich kann aber eine Immobilie derzeit ohne offiziell anerkanntes Zertifikat nicht an institutionelle Investoren verkauft werden, ebenso wie eine großflächige Vermietung an internationale Unternehmen nicht möglich ist.
Greenwashing
Weiterhin steht aber auch das Thema der Umgehung der Regelungen, das sogenannte Greenwashing, im Raum. So gibt es auf dem Markt diverse „Deklarationen“, die teilweise auf plausibilitätsgeprüften Selbstauskünften basieren. Für diese haftet außer dem Bauherrn niemand. „Sie sind keine „3rd Party Verification“, und daher kann dort auch Greenwashing nicht ausgeschlossen werden“, so Peter Engert: „Greenwashing ist bei Zertifikaten der ÖGNI nicht möglich, da wir für unsere Zertifikate gemeinsam mit Auditoren und Konformitätsprüfern haften.“ Bei der ÖGNI gibt es auch keine Umgehungsmöglichkeiten, da zum Beispiel ein „Freikaufen“ mit neu gepflanzten Bäumen in Brasilien oder CO2-Zertifikaten ausgeschlossen ist. In der „Green Claims Directive“, die derzeit von der EU erarbeitet wird und die sich gegen Greenwashing wenden soll, wird die Bestätigung durch Dritte einen zentralen Bestandteil bilden, zeigt sich Peter Engert zuversichtlich, dass dieser Praxis ein Riegel vorgeschoben wird. Marc Guido Höhne ist überzeugt, „dass sich in den kommenden Jahren die Zertifikate auf dem europäischen Markt harmonisieren werden“. Ein wichtiger Schritt, um Anlegern die Vergleichbarkeit ihrer Investments zu ermöglichen.
Investitionskosten schlagen Langfristigkeit
Projektentwickler und Investoren suchen zwar auf der einen Seite Nachhaltigkeit, auf der anderen Seite sind sie aber preisgetrieben. „Zahlreiche Gebäude werden zwar Taxonomie-konform errichtet, aber man blickt noch nicht auf die langfristige Nachhaltigkeit“, so Höhne. Auf Nachhaltigkeit zu setzen rechnet sich im Betrieb über die Jahre definitiv, aber es zählen noch immer die Investitionskosten. „Die Banken sind nach wie vor angehalten, maßgeblich nachhaltige Projekte zu finanzieren“, sagt Höhne weiters. Dabei bleibt dann doch die langfristige Betrachtung außen vor, da in einem solchen Fall zum Teil etwas höhere Investitionskosten notwendig sind. In der aktuellen Wirtschaftslage lässt sich dieser Umstand Banken gegenüber nur schwer erklären.
Motivation, nachhaltig und wirtschaftlich zu agieren
Georg Greutter, Geschäftsführer Grüne Immobilien, ist aber überzeugt, dass nachhaltige Planung, Errichtung und Bewirtschaftung bei vielen Projekten nicht unbedingt teurer sein muss: „Mit dem Blick auf die Zukunft lassen sich Baukosten verringern, Bauzeiten verkürzen, Ressourcen sparen und der Betrieb von Immobilien billiger und zukunftssicher gestalten.“ Das Einzige, was aus seiner Sicht dafür notwendig ist: „bessere Information aller Akteure und mehr innovatives Gehirnschmalz“. Und natürlich die Motivation, nachhaltig und wirtschaftlich zu agieren. Auch wenn derzeit das grüne „Engagement“ noch über die Banken gespielt wird, ist Georg Greutter überzeugt, dass die Stranded Assets in Zukunft diejenigen sein werden, bei denen die Betriebskosten höher sind als die Mieten. Im Kleinen zeigt sich das schon sehr stark. „Wenn man heute eine Wohnung vermieten will, dann wird das mit einer uralten Gastherme nicht funktionieren“, meint Greutter: „Die jungen Menschen wollen ganz andere Voraussetzungen.“ Sie fokussieren sich auf nachhaltige Wohnungen und letztendlich auf niedrige Betriebskosten. Wer nichts Nachhaltiges zu bieten hat, wird in Zukunft seine Projekte nicht mehr vermarkten können.