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Alles „Co“? Mixed Use und Flächensharing wird zur Normalität

Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass es in Bürohäusern auch Wohnungen geben könnte. Aber das war der Anfang eines Megatrends, denn mittlerweile ist Mixed Use eine Selbstverständlichkeit. Und die Flächen werden sich noch stärker vermischen.

Zuerst waren es die Immobilien, die in einem Standortkonzept gemischt wurden. Jetzt folgen unterschiedliche Nutzungen in einem Gebäude, und der nächste Schritt werden die verschiedenen Nutzungen auf der gleichen Fläche sein. Aber ein Schritt nach dem anderen. „Es ist für 2020 zu erwarten, dass die bereits erfolgreich umgesetzten neuen Nutzungs- und Bauformen weiterentwickelt und realisiert werden“, blickt Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult, auf die kommenden Jahre.

Schon alleine aufgrund des knapper werdenden Raums ist es notwendig, die Immobilien nicht leerstehen zu lassen. „Außerdem sollen die neuen Formen im Bürobereich, wie etwa Co-Working oder Shared-Use-Konzepte, aber auch neue gewerbliche Wohnformen wie die Kombination von studentischem Wohnen mit Young Urban Professionals oder auch mit Lehrlingsunterkünften dazu führen, eine multifunktionale Nutzung der Objekte zu erreichen“, so Bondi.

Arrangieren auf gemeinsamen Flächen

Der knappe Wohnraum macht es faktisch unumgänglich, sich mit „Co“ zu arrangieren. „Nachfrage und Angebot gehen immer weiter auseinander, nicht nur bei den Preisvorstellungen, sondern vor allem auch bei der Frage, WAS gebaut und angeboten wird“, meint Wolfgang M. Fessl, Geschäftsführer der Metzger Reinberg Gruppe: „Zwar wurden schon Drei-Zimmer-Wohnungen mit 66 Quadratmetern Wohnfläche gesichtet, diese sind jedoch nur für Minimalisten geeignet, weil bereits die Anschaffung eines Kleiderkastens für die Bewohner ein nahezu unmögliches Projekt darstellt.“

Selfstorage als Notwendigkeit

Davon profitieren die Selfstorage-Anbieter, denn für die Eislaufschuhe oder die Weihnachtsdekoration ist in der Wohnung kein Platz mehr. Fessl: „Ganz ehrlich, die angebotenen Zwei-Zimmer-Wohnungen mit 42 Quadratmetern braucht langfristig niemand, die nutzt man als Single oder Pärchen gerne für drei bis vier Jahre und ist dann froh, wieder umziehen zu können.“ Bis dahin gilt aber „Co“ als Muss.

Auf Co-Working folgt Co-Living

„Co-Living ist definitiv ein Trend der kommenden Jahre“, meint Michael Mitterdorfer von MAGAN Advisors: „Das ist die neue Form der klassischen Wohngemeinschaften. Wenn in einem Haus mit Co-Working auch Co-Living angeboten wird, dann können sich daraus sehr gute Synergien entwickeln.“ Dies würde auch der Vereinsamung der Singles entgegenwirken. 2018 gab es fast vier Millionen Privathaushalte, mehr als ein Drittel davon entfiel auf Singles. Hier würden sich Immobilienangebote und der Wunsch nach sozialer Anbindung bestens ergänzen.

In den Metropolen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören temporäre Wohnmodelle wie Serviced Apartments zu den größten Wachstumssegmenten. Es gibt durchdachte Konzepte, aber kein starres Korsett. Individualität und Kleinteiligkeit sind vor allem bei der jüngeren Generation up to date. Die Apartment-Industrie entwickelt immer neue Konzepte und spricht damit unterschiedliche Zielgruppen an. In den vergangenen Jahren hat sich das „Apartment-Wohnen“ erst einmal in unseren Breiten etabliert, jetzt kommen die unterschiedlichen Ausformungen.

Neue Ideen

Auf diese Weise entsteht ein kreativer Mixed Use von Konzepten und Zielgruppen. Der Community-Gedanke wird neu erfunden. Wo Serviced-Apartment-Konzepte bestens ohne klassische Hotellobbys funktionieren, sind nun vielerorts neue, flexible Community-Spaces wie Social Kitchens und Games-Areas entstanden. Es könnte durchaus sein, dass diese neuen Konzepte bereits das Wohnen der Zukunft abbilden. Denn was in der Serviced-Apartment-Welt seine Berechtigung hat, das kann durchaus auch in die weite Welt des Wohnens expandiert werden. Oder es wird gleich vermischt.

In Frankfurt zeigt das Büro Franken Architekten anhand des Hotelprojekts „Lindley Lindenberg“, wie das aussehen könnte. Was geboten wird, ist Wohnqualität mit „Wir-Gefühl“ bei gleichzeitiger Möglichkeit zur Individualität. Dauermieter und Reisende nützen gemeinsam klug designte Räume. Es ist eine Wohngemeinschaft für Fortgeschrittene, und den Bewohnern gefällt die Idee.

Umnutzungen als logische Alternative

In diesem Zusammenhang werden auch „Umnutzungen in den kommenden Jahren immer stärker sichtbar werden“, meint Wolfgang Fessl. Einerseits haben sich in den einzelnen Assetklassen die Anforderungen der Nutzer geändert und werden sich teilweise noch drastischer ändern, was zu unterschiedlichen Immobilien auf gleichen Flächen führt. Andererseits sind mittlerweile neue Assetklassen entstanden, für die es noch wenige geeignete Immobilien gibt – beziehungsweise in der gewünschten Lage die Flächen fehlen. Ein typisches Beispiel ist H&M. Das Unternehmen legt seine auf der Mariahilfer Straße verteilten Geschäfte in eines zusammen. Die frei gewordenen Flächen lassen sich nicht mehr 1:1 belegen. Die Flächen kleinteiliger zu vergeben oder sogar komplett neue Konzepte zu entwickeln – wie etwa ein Hotel –, wird deshalb in Erwägung gezogen.

Parken, Wartung, Autowäsche oder Reifenwechsel

Damit ist eine weitere Vermischung zu erwarten, und wo einst Wohnen war, ist Büro, wo Büro war, wird Wohnen. Erdgeschoße werden (wieder) zu Geschäften, Abholstationen oder Sozialimmobilien in den unterschiedlichsten Ausprägungen, und was die Parkgaragen betrifft, erleben wir ohnehin einen Wertewandel. Alles, was mit Mobilität zu tun hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung und in Vermischung. Philippe Op de Beeck, CEO der APCOA PARKING Group: „In Berlin haben wir einen ersten Hub eröffnet. Dort können die Leute parken und auf unterschiedliche Verkehrsträger umsteigen. Vom ÖPNV über E-Bikes, E-Scooter und E-Kickscooter bis hin zu Carsharing-Autos steht alles zur Verfügung. Das funktioniert zwar nicht in allen Garagen, aber es funktioniert als „Co“. Innerhalb der Garagen wären auch Flächen für Dienstleistungen wie Wartung, Autowäsche oder Reifenwechsel vorhanden. Durch die Digitalisierung – in diesem Fall durch die Online-Reservierungen von bestimmten Zeiten – könnten sich solche Angebote für ein kleines Unternehmen wieder rechnen.

“Schrei vor Glück!”

Shop-in-Shop-Konzepte klingen mittlerweile schon normal für uns, aber es zeigt sich die Tendenz zur Überschneidung innerhalb der Flächen selbst bei denjenigen, die sich bis dato eher fremd und sogar feindlich gegenübergestanden sind. So wird sich auch der Onlinehandel mit den stationären Flächen immer stärker verbinden. Knapp 980 Euro gibt jeder Österreicher pro Jahr für Konsumprodukte im Internet aus – vor fünf Jahren war es lediglich die Hälfte. Aktuell beträgt der Onlineanteil etwa 13,2 Prozent. Österreich liegt damit international im oberen Mittelfeld. In diesem Zusammenhang stellt die Retourenlogistik für Amazon ein immer drängenderes Thema da. Beim Marketing-Claim „Schrei vor Glück oder schick’s zurück“ konzentrierten sich viele User auf den zweiten Satzteil, und das brachte etwa dem Versandhändler Zalando eine extrem hohe Retourenquote.

Retourenquote jenseits der 40 Prozent

Rücksendungen gehören weiterhin zu den größten Renditekillern im Onlinehandel. In der Tat braucht es bei der weiblichen Kernzielgruppe zwischen 22 und 45 Jahren mehrere Anläufe, bis beim Shoppen das passende Lieblingsstück gefunden ist. Eine Retourenquote jenseits der 40 Prozent ist in der Fashion-Branche keine Seltenheit. Fakt ist, dass Amazon und Zalando in großen deutschen Städten bereits Einzelhandelsflächen anmieten. Als Abholstationen für bestellte Ware, aber noch viel mehr auch, um die Retourwaren in Outlets zu verkaufen, Fläche an Fläche mit denjenigen, denen sie ein Dorn im Auge sind.

Für Peter Schreppel, Head of International Investment bei CBRE, werden „Immobilien eine Art Work-Life-&-Entertainment-Thematik bekommen. Viel mehr noch, als es jetzt der Fall ist.“ Das Konzept hinter den einzelnen Objekten wird sein, diese „24 Stunden leben zu lassen“. Ob 24/7 wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, sei einmal dahingestellt. Absehbar ist aber, dass es derzeit in diese Richtung geht, und es betrifft ja nicht alle Häuser. Aber wir werden flexibler. Wir müssen es werden, und in den kommenden Jahren werden die uns vertrauten Formen aufbrechen und sich in neuen Gefügen zusammensetzen. Kurz gesagt: Was gebraucht wird und möglich ist, wird vermischt. Das ist für die Älteren einmal ungewohnt, die Jungen wachsen bereits damit auf.

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Geschrieben von:

Walter Senk

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  • Erschienen am:
    12.03.2020
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Kategorie: Trends

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