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Vorausbauender Manager

Innovationen und Restrukturierungen prägten die letzten Jahre bei Wienerberger– dem größten Ziegelproduzenten weltweit. Verantwortlich dafür war Heimo Scheuch, der als Vorstandsvorsitzender das Unternehmen damit auf Zukunftskurs gebracht hat. Im Gespräch mit WOHNART– dem Kundenmagazin des Österreichischen Siedlungswerks (www.wohnart-online.at)– erklärt der bekennende Naturmensch, wie ökologisches Wohnen mit Aktivhäusern funktionieren kann, worauf innovative Architektur baut und was die Zukunft des Bauens für Vorteile bringt.

Wienerberger ist mit gruppenweit 230 Werken in 30 Ländern der größte Ziegelproduzent weltweit. Wie lässt sich so ein Unternehmen in diesen Zeiten managen?

Scheuch: Das Erste, was Sie brauchen und was am wichtigsten ist, sind gute Mitarbeiter und Menschen. Sie müssen die besten Leute holen, die Sie finden können. Unsere Tätigkeit ist ein sehr lokales Geschäft. Wir verkaufen weltweit auch in Russland, Finnland, England, USA oder Indien. Sie brauchen gute Leute vor Ort, welche die Erfordernisse kennen und unternehmerisch denken. Ich kann ja nicht kontrollieren, ob alle ordnungsgemäß arbeiten. Ich kann das nur beispielhaft vorgeben. Wir legen sehr viel Wert auf eine Unternehmenskultur, die geprägt ist von Ethik, Verantwortung und Respekt. Das hat in gewisser Weise auch mit unserer Tradition zu tun, denn Wienerberger spielte eine entscheidende Rolle im sozialen Wohnbau in Wien.

Inwiefern?

Scheuch: Wir sitzen hier im 32. Stock des Twin Towers, und eigentlich befinden wir uns am Ursprung von Wienerberger. Hier am Wienerberg stand die erste Fabrik des Unternehmens. Zu Glanzzeiten des Unternehmens, also vor allem in der Wiener Gründerzeitphase, waren über 10.000 Mitarbeiter beschäftigt. Fast jedes Gebäude in der Wiener Innenstadt ist mit Wienerberger Ziegeln gebaut. Wienerberger und Wien sind nicht nur durch den Namen und die Geografie verbunden; hier auf den Wienerberger Gründen waren auch die Anfänge der Österreichischen Sozialdemokratie. Viktor Adler, der bekannte Sozialdemokrat, war Betriebsarzt bei Wienerberger und hat stark für die Rechte der Arbeiter gekämpft, was ihre Ernährung, Gesundheitsversorgung und ihren Wohnraum betraf. Die ersten sozialen Wohnbauten sind für die Mitarbeiter von Wienerberger entstanden.

Wie hat sich das Produkt Ziegel in den letzten Jahren verändert?

Scheuch: Es gab immer wieder große Technologiesprünge, wie zum Beispiel vom Feldbrandofen in den Anfängen hin zu einem Ofen, in dem die Ziegel durchgeschoben und gebrannt wurden. Heute haben sich die Anforderungen insofern geändert, als es darum geht, schneller und energieeffizienter zu bauen. Statik und Erdbebensicherheit spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn Sie zum Beispiel in erdbebengefährdeten Regionen bauen, dann kommen spezifische Erdbebenziegel zum Einsatz. Die haben eine andere Verzahnung und ein anderes Muster. Der Ziegel hat allgemein eine neue Entwicklung durchgemacht, im Bereich Dämmung und Bauzeit.

Würden Sie diese Themen konkretisieren?

Scheuch: Die neuesten Produkte sind Verfüllziegel, die eine Gesamtlösung für die Wand schaffen. Damit ist auch keine zusätzliche Dämmung mehr notwendig, da diese schon integriert ist. Durch unser DRYFIX-System, bei dem die Ziegel durch eine neue Technik verklebt werden, ersparen Sie sich noch dazu bis zu 40 Prozent Arbeitszeit. Die Arbeit wird auf diese Weise extrem erleichtert, und nach einer kurzen Einschulung könnten auch Sie und ich eine Mauer errichten. Zudem fällt der Mörtel weg, also auch das Anrühren, und es gibt noch zahlreiche andere Vorteile. Hier haben Sie einen Ziegel, mit dem sie ein Aktivhaus bauen können.

Wie darf man den Begriff Aktivhaus verstehen? Tendenziell ist doch momentan das Thema Passivhaus sehr präsent.

Scheuch: Das Passivhaus war von der Entwicklung her der richtige Schritt bezüglich Energieeffizienz und Heizwärmebedarf. Aber ein Passivhaus braucht viel Energie für die Luftumwälzung und viel Technik. Außerdem muss man ein lebenswertes Umfeld schaffen. Die Häuser sollen in Zukunft einen Status erreichen, durch den sie mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Ein Aktivhaus also.

Das Projekt „e4 ZIEGELHAUS 2020“ ist ja beispielgebend.

Scheuch: Ja. Es geht mir darum, dass Wienerberger zeigt, dass es für eine junge Familie wirtschaftlich möglich ist, ein Haus zu bauen, das energetisch effizient ist.

Wo wird das Haus errichtet?

Scheuch: Das Haus wird in Zwettl errichtet, also in einer klimatisch anspruchsvollen Gegend. Im Fokus des e4-ZIEGELHAUS-Konzepts steht eine ganzheitliche Gebäudebetrachtung, die vier Eigenschaften berücksichtigt: eine energieeffiziente massive Gebäudehülle aus Ziegeln, den Einsatz erneuerbarer Energieträger, erschwingliche Bau- und Energiekosten und eine einzigartige Lebensqualität. In Zwettl entsteht aber nur eines dieser Häuser– wir werden quer über Europa diese Haustypen errichten.

In welchen Ländern?

Scheuch: Es gibt auch in Belgien, den Niederlanden oder Frankreich Hausmodelle, bei denen wir unser Know-how eingebracht haben. Es geht uns aber vorrangig nicht darum, zu zeigen, dass es möglich ist, mehr Energie zu produzieren, sondern auch die optimale Struktur zu finden, wie und wann man die Energie einsetzt.

Wie weit hat das noch mit dem Werkstoff Ziegel zu tun?

Scheuch: Das Unternehmen Wienerberger hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Wir sind von einem produktionsorientierten Unternehmen zu einem lösungsorientierten Unternehmen geworden, das mehr die Lösungskompetenz in den Vordergrund rückt. Wir kombinieren verschiedene Produkte, wir arbeiten verstärkt mit anderen Unternehmen zusammen– zum Beispiel im Bereich Heizungstechnik oder Lüftung– und entwerfen eine ganzheitliche Sicht des Gebäudes. Wir sind auch ein führender Anbieter von Wasser- und Rohrsystemen und von Dachziegeln. Die Gesamtheit macht die Autarkie des Wohnbaus aus. Das Robinson-Crusoe-Thema ist ein teurer Spaß, und das soll es nicht sein.

Robinson Crusoe?

Scheuch: Wenn jemand komplett unabhängig leben will, so ist das möglich, aber es kann auch sehr teuer werden. Wichtig ist, dass die Leistbarkeit im Mittelpunkt steht, und das gilt für den gewerblichen Wohnbau mehr denn je. Mein erklärtes Ziel ist es, die Erfahrung, die wir im Einfamilienhaus haben, auch im mehrgeschossigen Wohnbau einzubringen und entsprechende Lösungen für energetisches Bauen zu schaffen. Speziell in Wien haben wir durch die neuen Produkte eine große Chance, diese Ideen zu realisieren. Aber es muss auch von Seiten der Baubranche ein Prozess stattfinden, damit man sich diesen Lösungen auch öffnet. Im Bauwesen hat man Gegebenheiten und Gewohnheiten, die eingefahren sind– und da muss man sich neuen Ideen einfach annähern.

Ihre Einstellung zum Thema Wohnen?

Scheuch: Wohnen ist ein Grundrecht. Aber es soll nicht nur ein Recht bleiben, es muss auch für die Menschen die Möglichkeit geben, es zu leben. Jeder Mensch träumt von Geborgenheit, Sicherheit, einem angenehmen Umfeld, einem natürlichen Raumklima. Die Menschen leiden zunehmend an Allergien, haben Stress oder Burn-out-Symptome. Ich glaube, dass das sehr viel mit dem Wohnumfeld und dem Wohnklima zu tun hat und ein gesunder Wohnraum wichtig ist. Wir müssen sinnvoll für die Zukunft bauen. Wenn man sich die alten sozialen Wohnbauten anschaut, merkt man, dass die sehr sinnvoll gebaut sind, nicht zu hoch und mit sehr viel Grün, damit die Menschen auch hinausgehen können. Sie haben auch nicht so eine hohe Verbauungsdichte.

Aber Grund und Boden ist knapp …

Scheuch: Ich weiß, dass Grund und Boden eine große Rolle spielen, aber man darf die Menschen nicht in Ghettos unterbringen, so wie in Paris oder London. Das hat große Auswirkungen auf die Gesellschaft, wie man ja sieht. Außerdem nutzen wir viel zu viel Platz für die Infrastruktur. Natürlich brauchen wir eine Infrastruktur, aber die Frage ist: Wie viel?

Wienerberger hat heuer den Brick Award verliehen. Hatten Sie einen Favoriten?

Scheuch: Es gibt viele Projekte, die mich ansprechen, und es ist immer schwer, eines davon herauszunehmen. Jedes spricht für sich. Was mir aber persönlich am besten gefällt, ist die Möglichkeit, mit unserem Baustoff in allen möglichen Ausprägungen zu arbeiten.

Waren die Projekte 2012 besonders?

Scheuch: 2012 konnte ich feststellen, wie harmonisch sich das Produkt Ziegel in die Landschaft einbettet. Das war auch ein grundsätzliches Thema der Architekten und der Jury. Wir nehmen etwas aus der Natur, nämlich den Ton für die Ziegel, und geben wieder etwas zurück. Das fügt sich in die Natur wieder ein und ist nicht losgelöst von ihr zu sehen. Das spiegelt auch den Zeitgeist wider, denn wir müssen mit der Natur behutsam umgehen. Bauen ist ja ein Eingriff in die Natur, und der hohe Anspruch des Bauens besteht darin, wie ich der Natur wieder etwas zurückgeben kann. Der Ziegel ist ein super Produkt, das man langfristig und nachhaltig verwenden kann. Er ist immer wieder verwertbar. Daher bin ich auch für die Zukunft optimistisch, da wir ein tolles Produkt haben und tolle Lösungen bieten, die im Trend der Zeit liegen und nachhaltig sind.

Ein Blick in die Zukunft?

Schcheu: Es ist derzeit sehr schwierig, drei Monate im Voraus zu planen. Sie müssen sich im Management immer mehr auf neue Entwicklungen und Einflüsse von außen einstellen. Wir können das Baugeschehen in Europa nicht beeinflussen, aber man kann eine Firma darauf vorbereiten– indem man sich des Bereiches Innovation mit einem starken Rückgrat annimmt und sich auf die Zukunft ausrichtet. Daher haben wir uns von einem produzierenden zu einem lösungsorientierten Unternehmen entwickelt. Das ist die große Entwicklung von Wienerberger durch die Restrukturierungsphase 2009 und 2010. Heute sind wir eine Firma, die nicht jede Woche in der Zeitung steht, weil wir etwas zugekauft haben– wir arbeiten solide an der Zukunft des Unternehmens und des Bauens. Es geht darum, welche Produktlösungen wir entwickeln können und uns damit auch stärker aufstellen, welche Problemlösungen wir anbieten können und welche Kompetenz wir im Bereich Bauen haben. Das ist, was im Mittelpunkt steht.

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Walter Senk

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    03.09.2012
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