Mit den Hausschuhen zum Einkauf

Was 2015 noch eine eher ungewöhnliche Idee des Wohnbauträgers WBV-GPA war, ist mittlerweile salonfähig geworden: Wohnen auf Einzelhandelsimmobilien.

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Neu ist die Idee, Wohnungen und Einzelhandel zu verbinden, nicht, denn bereits vor 150 Jahren waren in den Gründerzeithäusern im Erdgeschoß oft diverse Geschäftsflächen untergebracht. Aber die Dimension macht es mittlerweile aus. 2014/2015 entstand das erste Pilotprojekt zum Thema „flächenschonende“ Wohnverbauung nach Plänen von querkraft architekten zt, wobei erstmals in Wien ein Wohnbau auf dem Dach eines großen Einkaufszentrums errichtet wurde. Im Sommer 2015 eröffnete WBV-GPA einen Wohnbau auf dem Auhof Center in Wien-Penzing.

Positive Erfahrungen

„Die Erfahrungen sind sehr positiv“, sagt der Geschäftsführer Michael Gehbauer heute: „Die MieterInnen schätzen den Vorteil, ‚in-house‘ einkaufen zu können, und zwar nicht nur die Güter des täglichen Bedarfs, sondern nahezu alles, was das Herz begehrt.“ Außerdem werden die Gastronomie- und Freizeitangebote des Centers als vorteilhaft angesehen. Die Wohnhausanlage mit 71 Wohnungen bietet eine exklusive Lage am Dach des Auhof Centers mit guter Aussicht und gemeinschaftsfördernden Wohnlösungen rund um einen begrünten Innenhof. Was für Gehbauer eindeutig für das Projekt spricht: „Die Fluktuation ist sehr gering und die Wohnungsnachfrage unverändert hoch.“

Nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern werden die Überbauungen von bestehenden Flachmarktzentren und Supermärkten forciert. „Die Wohnungen werden keine hochpreisigen sein, denn das lässt das Image eines solchen Projekts und der Lärm des Markts nicht zu“, so Ernst Kovacs, Geschäftsführer von KE Wohnimmobilien: „Aber in der Stadt ist es natürlich eine gute Lösung, um mit der Ressource Grund sparsamer umzugehen.“ Außerdem sprechen die vielfältigen Nutzungsarten im Wohnbereich mehr als dafür.

Verschiedene Wohnmöglichkeiten

Dass durchaus unterschiedliche „Varianten“ möglich sind, zeigt das Beispiel von Salzburg Wohnbau. Das Unternehmen hat auf einem Billa in Thalgau, einem Lidl in der Stadt Salzburg und einem MPREIS in Bürmoos bereits Projekte verwirklicht. „Ein besonderes Vorzeigeprojekt ist unter anderem in Golling entstanden“, so Christian Struber, Geschäftsführer des Unternehmens. Im Erdgeschoß gibt es einen MPREIS-Nahversorgungsmarkt, im ersten und zweiten Obergeschoß befinden sich vier Hausgemeinschaften des Alten- und Pflegeheims von Golling. Im Dachgeschoß entstanden noch sieben Eigentumswohnungen. In Abtenau wurde ein SPAR-Markt mit 15 Einheiten für betreutes Wohnen überbaut. Christian Struber: „Nach den bisherigen Erfahrungen können wir diese Projekte als gelungen bezeichnen.“

Roll-Out in Europa

Richtig groß möchte die Immofinanz die Bodenressourcen an ihren STOP-SHOP-Standorten nutzen – und das nicht nur im Inland, wie COO Dietmar Reindl bestätigt: „Wir beginnen mit einem Projekt in Österreich und werden parallel dazu erste Pilotbauten in angrenzenden Ländern durchführen. Auf Basis der dabei gesammelten Erfahrungen werden wir dann mit einem portfolioweiten Rollout starten.“ Sobald die Genehmigungen vorliegen, kann dieser dann aufgrund der hohen Standardisierung und Vorfertigung zügig erfolgen. Generell geht man bei der Immofinanz davon aus, rund 50 Prozent der bestehenden und künftigen STOP-SHOP-Standorte mit leistbarem und nachhaltigem Wohnraum überbauen zu können. Aktuell gibt es 100 STOP-SHOP-Standorte, und in den nächsten Jahren möchte man auf 140 wachsen. „Rund 50 Prozent würden daher mittelfristig die Überbauung von bis zu 70 Retailparks beinhalten“, so Dietmar Reindl.

Bautechnische Herausforderungen

Die Herausforderungen sind vor allem technischer und juristischer Natur. So sind die statischen Voraussetzungen für ein Dach andere, wenn dieses auch ein Gebäude „tragen“ soll. Bei Neubauprojekten ist die Nachverdichtung wesentlich leichter möglich als im Bestand.

Unabhängig von der Tragfähigkeit kommt bei bestehenden Gebäuden noch ein weiterer Aspekt hinzu, wie Christian Struber anmerkt: „Neben der Frage der Statik zieht natürlich die Nutzung der Bestandsbauten während der Nachverdichtung einen längeren Lösungsansatz nach sich.“ Damit die Arbeitszeit rund um bestehende Märkte gering gehalten werden kann, hat man bei der Immofinanz ein wirtschaftlich optimiertes, technisches Konzept entwickelt, wie Dietmar Reindl erklärt: „Die Überbauung eines Standorts mit nachhaltigem und leistbarem Wohnen sollte nach den behördlichen Genehmigungen nicht mehr als sechs bis neun Monate Zeit in Anspruch nehmen.“

Wohnbau soll nicht Hinterhof werden

Nicht nur während des Bauens, sondern auch bei der Nutzung der Wohneinheiten sind spezielle Umstände zu bedenken. So stellen die üblicherweise auf dem Dach von Supermärkten befindlichen Lüftungs- und haustechnischen Anlagen eine Herausforderung dar. „Ein großes Thema sind auch die Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Aufzüge, die durch mehrere Geschoße mit Geschäftsflächen geführt werden müssen“, so Gehbauer, und für Ernst Kovacs gilt es unter anderem auch die Anlieferung in den Morgenstunden und den Kundenverkehr zu beachten: „Bei der Planung ist es wichtig, dass der Eingangsbereich der Wohnungen nicht wie ein Seiteneingang bzw. die Rückseite des Markts wirkt.“ Die Planung und die Umsetzung werden immer effizienter und durchdachter, und es zeigt sich, dass gut konzipierte Wohnbauten auch auf Einzelhandelsmärkten ihre Bewohner finden.

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  • Erschienen am:
    04.10.2021
  • um:
    12:14
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Geschrieben von:

Walter Senk

Walter Senk ist Chefredakteur der Immobilien-Redaktion, die er 2010 gründete. Er ist seit über 25 Jahren Journalist mit dem Fachgebiet „Immobilien“. Er konzipiert und betreut Newsletter und Magazine für Medien und Unternehmen, moderiert Veranstaltungen und leitet Podiumsdiskussionen. Sein Motto: Es gibt zum Optimismus keine vernünftige Alternative.

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